AG-BGV/BGV2011A/Anträge/TO01/smg-ppoe
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Suchtmittelpolitik
Achtung: Wir brauchen noch österreich-spezifische Einzelnachweise
Präambel
Die jetzige Drogenpolitik stützt sich fast ausschliesslich auf Repression und Strafverfolgung,
was dazu führt, dass harmlose Konsumenten kriminalisiert werden, Schwerkranke nicht von den zahlreichen nachgewiesenen medizinischen Anwendungsgebieten von Cannabis profitieren können, Justiz und Polizei mit Drogendelikten beschäftigt sind, und die organisierte Kriminalität Milliarden umsetzt.
Vernünftige Drogenpolitik muss auf Verhältnismässigkeit achten und vor allem auf rationalen, wissenschaftlich fundierten Überlegungen basieren.
In der aktuellen Politik werden die Möglichkeiten einer liberalen Regelung nicht ausgeschöpft, Entscheidungen werden nach politischen oder moralistischen Gesichtspunkten getroffen.
Dazu kommt, das im Kampf gegen Drogen, auch oder vor allem Konsumenten und Kleinkriminelle verfolgt und verurteilt werden, während Drahtzieher stets unberührt weiteragieren können. Die dabei verwendeten Methoden wie etwa Zwangstherapien, lange Gefängnissstrafen, erkennungdienstliche Behandlung oder Konsumenten-Datenbanken haben nichts mehr mit Verhältnismäßigkeit zu tun und sollten dem organisierten Verbrechen vorbehalten sein.
Zu guter Letzt hat der weltweite Krieg gegen die Drogen katastrophale Auswirkungen auf weite Teile der Weltbevölkerung. Staaten werden von Drogenkartellen unterwandert (Mexiko, Afghanistan, Kolumbien), und müssen in bürgerkriegsartigen Zuständen leben.
Ähnlich sieht dies auch die Global Commission on Drug Policy in ihrem 2011 veröffentlichtem Bericht (http://www.globalcommissionondrugs.org/Report) zum weltweiten Krieg gegen Drogen, dieser wird als auf der ganzen Linie gescheitert betrachtet. Der Kommission gehören unter anderem der ehemalige UN-Generalsektretär Kofi Annan, der ehemalige US-Aussenminster Shultz unter Nixon sowie die ehemaligen Staatschefs von Brasilien, Kolumbien und Mexiko an.
Wir fordern deshalb eine liberalere Drogenpolitik mit dem Ziel die Freiheit und Rechte des Bürgers zu wahren, die medizinische Anwendung von natürlichem Cannabis uneingeschränkt zu ermöglichen, Jugendschutz und Konsumentenschutz zu gewährleisten, die organisierte Kriminalität zu senken und die Justiz zu entlasten. Drogenpolitik soll nicht Strafverfolgung sondern Gesundheits- und Aufklärungsarbeit sein. Strafverfolgung soll kriminelle Organisationen, die Drogen-, Menschen- und Waffenhandel illegal betreiben an ihrem Milliardengeschäft hindern.
Inhaltliche Darlegung
Die vier Säulen der Drogenpolitik, Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression, sind in einer liberalen Gesellschaft nur verhältnismäßig, wenn sie den gesellschaftlichen Wandel reflektieren. Im folgenden versuchen wir Vorschläge zu unterbreiten, um diesem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen.
Typisierung nach Härtegrad
Die Vorstellung, dass sich Drogen kategorisch in gesellschaftlich akzeptierte Konsumgüter und geächtete Drogen einteilen lassen, ist veraltet. Die Legalität verschiedener Suchtmittel hat nur noch wenig mit der gesellschaftlichen Realität bezüglich Suchtpotenzial, direkter und indirekter Gesundheitsgefährdung und tatsächlichem Konsum zu tun. Eine differenzierte Typisierung von Suchtmitteln mit entsprechender Regelung ist notwendig.
"Weiche" Drogen
Der Besitz und Privatkonsum, sowie der Anbau und die Herstellung zum Eigengebrauch "weicher" Drogen, insbesondere von Cannabis, soll legalisiert werden. Einfuhr, gewerbsmässiger Anbau, Herstellung und Handel sollen durch Gesetze reglementiert werden, wie dies heute bereits bei Alkohol oder Tabak der Fall ist. Dabei soll insbesondere dem Jugendschutz Rechnung getragen werden. Denkbar wären in diesem Zusammenhang "Coffeeshops" oder Fachgeschäfte für den gewerbsmässigen Handel, stets in Verdindung mit Alterskontrollen sowie einer angemessenen Besteuerung.
"Partydrogen"
"Partydrogen" mit geringen Gesundheitsrisiken wie MDMA sollen an entsprechenden Anlässen, die nur Erwachsenen zugänglich sind, konsumiert werden dürfen. Dazu sollen Regeln für den sicheren Genuss dieser Substanzen erlassen werden, die z. B. die Anwesenheit eines Arztes vorschreiben können. Einfuhr, Produktion und Handel mit diesen Substanzen soll lizensierten und staatliche kontrollierten Unternehmen vorbehalten bleiben.
"Halluzinogene"
Dazu gehören Substanzen welche nachweislich keine körperliche Abhängigkeit verursachen können wie zB Psilocibin haltige Pilze ("Magic Mushrooms"), Meskalin, DMT oder auch LSD. Diese Substanzen dienen in erster Linie zur Selbstreflexion, religiösen/spirituellen Zwecken oder dem Genuss. In einigen Fällen ist auch die Anwendung zu Therapiezwecken bekannt. Derartige Substanzen könne beispielsweise in staatliche kontrollierten Fachgeschäften ausschließlich mit fachlicher Beratung und/oder Beipackzettel an Volljährige verkauft werden. Dabei soll der Jugendschutz sowie die sachliche Aufklärung über die Substanzen absolute Priorität haben.
"Harte" Drogen
Harte Drogen wie Kokain und Heroin sollen als verschreibungspflichtige Substanzen behandelt werden, und nur gegen Rezept an Süchtige abgegeben werden. Die kontrollierte Drogenabgabe dient primär der Schadensminderung, weil eine da die Gesundheitsgefährdung durch illegal beschaffte Suchtmittel, die vergleichbar mit gefälschten Medikamenten keinerlei Qualitätsgarantien haben, gemindert wird. Die Gesundheit von Suchtmittelabhängigen ist ein Rechtsgut, das bisher vernachlässigt wurde. Auch nicht vergessen werden dürfen die Gesundheitskosten, die durch Behandlungen infolge der Einnahme verschmutzter Suchtmittel entstehen.
Zusätzlich ist der Ausbau von schadensmindernden Maßnahmen wie der Vergabe von Injektionsspritzen wünschenswert.
Andere Süchte
Andere Süchte, beispielsweise Video- oder Glücksspielsucht, Internetsucht oder Sucht nach psychoaktiven Substanzen, die kein direktes körperliches Gefährdungspotential haben, sollen im Rahmen von Präventiv- und Schadenbegrenzungskampagnen geregelt werden. Verbote und andere Repressionsmassnahmen sind abzulehnen.
Freie Entscheidungen gegen die Sucht
Eine liberale Gesellschaft versucht so weit wie möglich Mechanismen der individuellen Entscheidungsfindung zur Reglementierung von gesellschaftlich unerwünschten Handlungen einzusetzen. Das Individuum soll sich unter gesellschaftlichen Rahmenbedingungen freiwillig zu einen konformen Verhalten entscheiden. Der Mensch darf nicht das Gefühl haben durch Zwänge und Verbote gelenkt zu sein. Vielmehr sollen Entscheidungen auf Grund von individuellen Kosten-Nutzen Überlegungen getroffen werden. Gerade in der Drogentherapie ist die bewusste Entscheidung des Süchtigen aufzuhören, sehr viel effektiver als ein Zwang zu Abstinenz. Insofern müssen die Faktoren gestärkt werden, die dem Individuum zur freiwilligen Entscheidung gegen den Konsum von Suchtmitteln verhelfen. Im Folgenden zeigen wir gesellschaftliche Mechanismen zur Stärkung individueller Entscheidungskompetenzen auf, die zu einem freiwilligen Verzicht auf Suchtmittel beitragen.
Zerschlagung des Wirkungskreises Drogensucht-Kriminalität
Jede Sucht ist eine selbst verstärkende Rückkopplung, das heisst die Suchthandlung führt direkt oder indirekt zu einer Verstärkung des Bedürfnisses diese Handlung zu wiederholen. Bei Drogensucht ist der Teufelskreis im Zusammenhang mit Kriminalität besonders verheerend. Drogensucht und Kriminalität bedingen sich gegenseitig. Aus Drogensucht entsteht Kriminalität und aus Kriminalität entsteht Drogensucht. Diese ausweglose Situation ist ein kaum lösbares Problem beim Versuch der Süchtigen sich gegen Drogen zu entscheiden. Die Legalisierung von Suchtmitteln unter Rahmenbedingungen kann diesen Wirkungskreis zerschlagen.
Austrocknung des Drogensumpfes
Der Zusammenhang von Drogensucht und Kriminalität ist nicht nur individuell zu betrachten, sondern auch in Bezug auf organisierte Kriminalität. Die Illegalität der Suchtmittel macht es dem organisierten Verbrechen erst möglich ein profitables kriminelles Handelsgut daraus zu machen. Sie profitieren von Illegalitätsrenten, die vergleichbar mit Monopolrenten dem Inhaber einer strukturellen Marktposition erhebliche Profite garantieren. Ein historisches Beispiel ist die Prohibition in den USA der 20er Jahre, wo das Verbot des Alkoholkonsums Al Capone zu Millionen und zweifelhaftem Weltruhm verholfen hat. Der Effekt der Illegalitätsrente, die es der organisierten Kriminalität gleich ökonomischen Akteuren ermöglicht, einen eigenen Markt zu schaffen und zu besetzen, hat für das Individuum schreckliche Folgen. Nicht umsonst spricht man von „abhängigen“ Kunden als den sichersten Kunden. Die organisierte Kriminalität nützt ihre Marktposition aus, um Abhängigen keine Entscheidung gegen die Droge zu ermöglichen. Die Legalisierung von Suchtmitteln und der Aufbau eines staatlich reglementierten Marktes lässt die Illegalitätsrente verschwinden. Ökonomisch - die organisierte Kriminalität ist in dieser Hinsicht ein ökonomisch orientierter Akteur - macht Drogenkriminalität keinen Sinn.
Liberalisierung durch reglementierten Markt
Es stellt sich die Frage, wie der Staat den Umgang mit Suchtmitteln organisieren soll, wenn grundsätzlich von legalem Konsum ausgegangen wird. Völlige Legalisierung ist mit Sicherheit keine Option. Den Umgang mit weichen Drogen marktwirtschaftlich zu regeln ist heikel, da Marktversagen droht. Warum? Bitte ausführen Es müssen strikte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dabei geht es vor allem um staatliche Kontrolle des Marktes, die für Qualität und Transparenz sorgen soll. Staatlich regulierter Suchtmittelverkauf muss Qualität im Sinne der Abwendung von Gesundheitsgefährdungen sicher stellen. Vergleichbar mit dem Verkauf von Tabak und Alkohol müssen Standards zu Produktion und Verkauf definiert werden. Hierbei muss Jugendschutz muss höchste Priorität einnehmen. Was Transparenz betrifft, müssen dem Konsumenten Kosten und Konsequenzen deutlich und unübersehbar aufgezeigt werden. Gut informiert zu sein ist die Grundlage für freie und vernünftige Entscheidung und das Ziel effektiver Drogenprävention. Deshalb schließen sich Drogenprävention und ein staatlich regulierter Suchtmittelmarkt nicht aus. Für harte Drogen ist die staatlich organisierte Drogenabgabe vorzuziehen. Wie bei verschreibungspflichtigen Substanzen muss die Abgabe ärztlich kontrolliert sein.
Schadensminderung durch Entstigmatisierung
Die moralische Gleichsetzung von weichen und harten Drogen hat zur Folge, dass es unmöglich ist für spezifische Suchtprobleme je nach Situation Lösungen zu finden. Zu oft kommt die Forderung nach der vollen Härte des Gesetzes mit dem Aufruf den Anfängen zu wehren. Es mag der politischen Profilierung dienen auf „Law and Order“ zu pochen, doch ist es nicht lösungsorientiert ist es nicht. Vielmehr hat es eine Stigmatisierung zur Folge, die die individuelle Suchtproblematik noch verstärkt. Die gesellschaftliche Ächtung eines Konsumenten weicher Drogen beschleunigt die Abwärtsspirale in die Sucht und vergrössert die Gefahr zu harten Drogen zu greifen. Eine Entstigmatisierung der Sucht und das Verständnis, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt, wirken schadensmindernd und erhöhen die Chance für eine Therapie.
Sucht ist eine Krankheit, kein moralischer Makel
Die Entstigmatisierung der Sucht ist in erster Linie keine politische sondern eine gesellschaftliches Forderung. Politisch kann dies unterstützt werden, indem staatliche Massnahmen der Drogenpolitik auf ihre stigmatisierende Wirkung geprüft werden. Es muss vermieden werden, dass präventive Kampagnen, Therapieangebote, Projekte zur Schadensminderung und insbesondere repressive Massnahmen, Sucht als einen moralischen Makel darstellen. In der Praxis findet dieser Grundsatz bereits Anwendung, wie aus dem dritten Massnahmenpaket des Bundes zur Verminderung des Drogenproblems (MaPaDroIII) zu ersehen ist. Nun muss nochAuch die Politik muss zur Kenntnis nehmen, dass Entstigmatisierung der Sucht einen wichtigen Beitrag zur Drogenpolitik leisten kann. Rhetorische Äusserungen wie „Kampf den Drogen“ oder „Krieg gegen die Drogen“ mögen die militärische Entschlossenheit demonstrieren, aber einen Beitrag zur Lösung des Drogenproblems bieten sie nicht.
Suchtmittelkonsum im öffentlichen Raum
Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass grosse Teile der Bevölkerung nicht mit dem Konsum oder den Folgen von Suchtmitteln konfrontiert werden wollen. Was für Alkohol gilt, muss auch für andere Suchtmittel gelten, die die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. Das Führen eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss ist strikt zu ahnden. Dafür müssen präzise Tests entwickelt werden, die feststellen können, ob eine Person akut unter Drogeneinfluss steht. Der Konsum von den heutzutage sogenannten weichen Drogen soll in der Öffentlichkeit unter den gleichen Auflagen möglich sein, wie der von Alkohol oder Zigaretten. Der öffentliche Konsum aller anderen psychotropen Substanzen soll mit einer Ordnungsbuße belegt werden.
Zusammenfassung
Die oben dargelegte Drogenpolitik verfolgt zwei Hauptziele: Die Stärkung der Freiheit des einzelnen Menschen sich für oder gegen Drogen zu entscheiden. Die Verminderung von Drogenkriminalität und das Freisetzen der Kräfte der Exekutive für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Kooperation mit internationalen Behörden um illegalen Drogen-, Menschen- und Waffenhandel einzudämmen. Mündige, volljährige Personen können selbst entscheiden, ob sie Drogen konsumieren. Wenn sie in Suchtgefahr geraten, sollen ihnen Therapieangebote zur Verfügung stehen, die sie allerdings selbst bezahlen müssen. Nur wenn es keine andere Möglichkeit gibt, ist abzuwägen ob die Therapie eines Drogenkranken zu Lasten der Gemeinschaft finanziert wird, um Schaden der das Ausmaß der Therapiekosten übersteigt, abzuwenden.
Wir sehen die Gefahren einzelner Substanzen, wollen aber die staatlichen Eingriffe in die Handlungsfreiheit des Einzelnen möglichst klein halten.
Deswegen sollen nur die gefährlichen Drogen unzugänglich sein. Da wir aber auch von der ärztlich kontrollierten Abgabe dieser Drogen zu Therapiezwecken überzeugt sind, ist es naheliegend diese als verschreibungspflichtige Substanzen einzustufen. Die Kriminalität rund um Drogen hat zwei Seiten: Die Beschaffungskriminalität der Drogensüchtigen und Handel durch die organisierte Kriminalität. Mit der Teillegalisierung entziehen wir beiden die Grundlage. Schwerstabhängige können sich gegen ein Rezept ihre Drogen zu einem fairen Preis in der Apotheke besorgen, ohne dafür stehlen, rauben oder dealen zu müssen. Die organisierte Kriminalität wird das Interesse am Drogengeschäft verlieren, wenn sich nur noch wenig Geld verdienen lässt. Beides macht unsere Straßen sicherer und spart Strafverfolgungs-, Gerichts- und Gefängniskosten. Wir wollen explizit darauf hinweisen, dass Drogen für Kinder und Jugendliche ungeeignet sind und diesen daher der Zugang verwehrt werden muss. Obwohl der Jugendschutz beim Verkauf von Alkohol nicht ausreichend ist, soll dieser auch für die sogenannten weichen Drogen gelten. Ein Verbot macht diese Drogen für Jugendliche nur interessanter und treibt sie in die Hände krimineller Händler.
Einzelnachweise
Global Commission on Drug Policy http://www.globalcommissionondrugs.org/commision Arbeitsgemeinschat Cannabis als Medizin http://cannabismedizin.at/ Lingens, Peter Michael: "Drogenkrieg: Ohne Mit Ausweg" Simone Ledermann, lic. rer. soc./ Prof. Dr. Fritz Sager (2006): Die Drogenpolitik der Schweiz (MaPaDro III), Bern: Bundesamt für Gesundheit (BAG). Online: http://www.bag.admin.ch/shop/00035/00204/index.html?lang=de Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (2006): Von der Politik der illegalen Drogen zur Politik der psychoaktiven Substanzen, Bern: Verlag Hans Huber.